Ich bekam als Reaktion auf meinen Blogbeitrag zu Remote teaching einige eMails, in denen nach konkretem Rat und praktischen Tips gefragt wurde für das kommende Semester.
Vorlesungen
Präsentiert man den Studierenden den Stoff mit Hilfe eines ausführlichen Skriptes oder aufgezeichneten Videos, so sollte man ihnen meiner Meinung nach konkrete Arbeitsanweisungen zum Durcharbeiten des Materials geben.
Die hier vorgestellten Ideen habe ich in einem Workshop von Prof. Siburg kennengelernt.
Reflexionsaufgaben
Ich habe auf Übungsblättern manchmal Aufgaben der folgenden Form:
Fassen Sie bitte das Kapitel ?? auf maximal zwei A4-Seiten zusammen.
Da es auf diese Aufgabe dann auch ebenso Punkte gibt, ist sichergestellt, dass die Studierenden sie wirklich bearbeiten. Die Beschränkung auf zwei A4-Seiten ist zum Einen nötig, damit die Korrektoren nicht mit ewig langen Zusammenfassungen erschlagen werden, und zum Anderen, weil das Reduzieren des Stoffes auf das Wesentliche ein Beschäftigen mit der Materie voraussetzt (ansonsten schreibt man einfach gedankenlos jede Definition und jedes Lemma ab).
Eine Korrektur solcher Aufgaben ist natürlich nur begrenzt möglich (man korrigiert nur, ob die Definitionen und Lemmas korrekt wiedergegeben wurden). Die meisten Studierenden erhalten hier natürlich volle Punktzahl.
Hier zwei Beispiele wie so eine Aufgabe aussehen kann:
(Falls die Idee mit den Mindmaps einen nicht anspricht, einfach weglassen.)
Durcharbeiten eines Skriptes
Ein Skript zu lesen ist eine ganz andere Art Mathematik zu lernen als in einer Vorlesung den Stoff live erklärt zu kriegen. Durch entsprechende Aufgaben auf den Übungsblätter kann man aber die Studierenden an das Skript-Lesen heranführen. Hier seht ihr ein Beispiel so einer Aufgabe:
Verständnis von längeren Beweisen
Gerade bei komplizierteren Beweisen könnte das Verständnis der Studierenden leiden, wenn sie nicht von einem Dozenten Schritt für Schritt in der Präsenzveranstaltung durchgeführt werden. Beim Durcharbeiten des Skriptes zuhause ist es nur zu leicht die längeren Beweise einfach ohne weitere Gedanken zu überlesen, und für das Lösen der allermeisten Übungsaufgaben braucht man selten deren Details.
Aber auch hier kann man die Studierenden durch eine entsprechende Aufgabe auf dem Übungsblatt dazu bringen sich mit langen und komplizierten Beweisen im Detail auseinander zu setzen. Hier ein Beispiel:
Zentralübungen
Ein gängiges Modell für Zentralübungen ist es, dort die Lösungen der wöchentlichen Übungsaufgaben zu besprechen. Meine eigene Erfahrung in der Analysis 1 ist es, dass man gerade das sehr gut komplett Online erledigen kann, indem man diese Besprechungen in Videos auslagert.
Ich habe damals OBS Studio benutzt ( https://obsproject.com/de ). Damit kann man das, was auf dem Monitor angezeigt wird, komplett aufnehmen. Ich hatte damals die Musterlösungen zu den Übungsblättern damit besprochen – ich hatte auf der linken Monitorhälfte einen Scan meiner handgeschriebenen Lösung der zu besprechenden Aufgabe und auf der rechten Monitorhälfte das Übungsblatt als Referenz für die Aufgabenstellung, bzw. hatte ich da das Skript, um Lemmas daraus zu zeigen, die für die Lösung nötig waren. Außerdem hatte ich natürlich ein Mikrofon, welches die Tonaufnahme machte. Ich hatte dann in der Aufnahme den Mauszeiger benutzt, um auf die entsprechenden Stellen zu zeigen, die ich gerade besprochen habe.
Das ganze Setup hatte den Vorteil, dass der Zeitaufwand nur geringfügig größer war als es in der Übungsstunde live vorzurechnen – man muss sich nur etwas mehr Mühe mit seiner Schrift für die Musterlösung geben.
Man muss am Anfang etwas mit dem Programm und seinen Einstellungen rumspielen. Macht man die Aufnahmequalität zu schlecht, kann man den Scan der Handschrift / das Skript nicht mehr gut lesen, macht man aber die Aufnahmequalität zu gut, so wird die Datei zu groß (einige Studierende hatten sich mal beschwert, dass sie mit ihrem langsamen Internet zuhause die großen Dateien nicht sinnvoll herunterladen können).
Tutorien
Tutorien, d.h. von älteren Studierenden gehaltene Kleingruppenübungen, habe ich selbst bisher nie versucht durch ein Online-Angebot zu ersetzen. Hier trotzdem ein paar Ideen:
Live-Durchführung mit Screen-Casting
Eine Möglichkeit wäre eine live-Veranstaltung mit Screen-Casting (z.B. mit Zoom) ähnlich wie die oben erwähnten Besprechungen von Lösungen von Übungsaufgaben. Wie das im Endeffekt konkret aussieht, kann man in folgendem YouTube-Video sehen (das ist ein Tutorium zur Analysis 1 an der Uni Mannheim, wo das Semester schon seit ein paar Wochen läuft).
https://www.youtube.com/watch?v=L-fleEANW8g&feature=youtu.be
Das ganze als live-Veranstaltung zu machen hat den Vorteil, dass die Studierenden sofort Fragen stellen können. Da es Kleingruppenübungen sind, sind die Tutoren nicht überfordert damit Fragen von über 100 Studierenden live zu jonglieren (wie das der Fall wäre, wenn man z.B. eine Zentralübung so machen wollen würde).
Alternativ kann man das natürlich auch aufgezeichnet anstatt live machen, ähnlich wie oben für die Besprechung von Musterlösungen in der Zentralübung. Da kann man dann ganz einfache Aufgaben besprechen, häufig gemachte Fehler auf den Übungsblättern oder auch vorher gesammelte Fragen der Studierenden.
Sammeln und beantworten von Fragen
Meiner Meinung nach ist das wichtigste, was bei einem Tutorium passiert, dass die Studienanfänger sich hier trauen Fragen zu stellen (im Gegensatz zu Zentralübungen oder Vorlesungen, wo es wesentlich weniger Fragen gibt). Eine Idee, wie man das im Fern-Betrieb simulieren könnte, wäre wie folgt. Eine Aufgabe auf dem Übungsblatt – die auch natürlich ein paar (geschenkte) Punkte bringt – würde lauten:
Formulieren Sie zwei Fragen zum aktuell behandelten Stoff. Das kann ein Beweisschritt im Skript sein, der Ihnen unklar ist, oder eine Rechnung von der Lösung einer Übungsaufgabe, die Sie nicht nachvollziehen können. Verweisen Sie in Ihrer Frage am besten direkt auf eine Seitenzahl im Skript, die konkrete Nummer eines Lemmas oder Satzes, oder die Minutenangabe zu der konkreten Stelle im Lösungsvideo.
Diese Fragen würden dann die Tutoren / Korrektoren von ihren Kleingruppen sammeln (beim Korrigieren des entsprechenden Übungsblattes) und dann entweder schriftlich oder per Video (live oder auch nicht) beantworten.
Das ganze eignet sich nur für Tutoren mit ihren Kleingruppen, bzw. für Dozenten von kleinen Lehrveranstaltungen, da es bei zu vielen Studierenden zeitlich nicht mehr durchführbar wird.
Beispiele von Online-Lehre
Die Universität Mannheim hat internationale Semesterzeiten, weswegen das Semester bei denen schon in vollem Gange ist. Auf der folgenden Internetseite haben sie Links zu YouTube-Videos mit Aufnahmen von ihren verschiedenen Veranstaltungen (Vorlesungen, Tutorien und Zentralübungen).
https://www.wim.uni-mannheim.de/studium/studienorganisation/online-semester-2020-mathematik/
Hier sieht man gut wie das mit verschiedenen technischen Hilfsmitteln am Ende bei den Studierenden auf dem Bildschirm zuhause aussieht.
Erstellung von Lehrmaterial
Dr. Steffen Kionke ist Juniorprofessor an der FernUniversität in Hagen und hat sich freundlicherweise dazu bereiterklärt ein paar praktische Tips zur Fernlehre aufzuschreiben.
Sein Beitrag enthält Vorschläge um welche Elemente man ein Skript ergänzen sollte, damit es von den Studierenden besser im Eigenstudium erarbeitet werden kann, praktische Hinweise zur Aufzeichnung von Lehrvideos und einiges mehr.
https://www.fernuni-hagen.de/juniorprofessur-algebra/lehre/crashkurs-lehre.shtml